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Folge 23 Über Salt Lake City nach Las Vegas

Es ist kalt in West Yellowstone. Wir sind froh, im beheizten Raum übernachtet zu haben. Dann gehen wir zu unserem ersten All you can eat. Es wird von einem Pancake House angeboten. Ein einzelner Pancake kostet nur einen Dollar. Für 2 Dollar pro Person kann man so viele Pancakes essen, wie man möchte oder besser wie man schafft. Ich erinnere mich an ein Frühstück bei Denny’s. Dort gab es auch diese Hungervernichter ohne Geschmack. Ich verzichte und trinke nur Kaffee. Martin schafft am meisten. Genau zwei!

Danach geht es auf die Straße. Wir finden ziemlich schnell einen Jeep, der uns bis Ashton mitnimmt. Es gibt gute Musik im Autoradio. Die Band heißt Soul Coughing. Ashton ist ein kleines Nest am Highway 20. Wir stehen hier über eine Stunde, ohne dass ein Auto anhält. Anja und Martin laufen die Straße entlang. Tatsächlich ist Hitchhiking hier in manchen Gegenden illegal und hat auch einen schlechten Ruf.

Hitchhiking am Highway 20

Nach einer weiteren Stunde hält ein flippiges Girl mit ihrer Austauschstudentin aus Dresden. Zuerst geht es in den nächsten Ort, St. Antony, zur Bank, dann holen wir ihre Mutter ab. Sie bieten uns Obst und Getränke an. Die drei Damen sind sehr interessiert. Sie wundern sich, dass man bei diesem Wetter im Freien schlafen kann. In Rexburg steigen wir aus ihrem Auto, weiter geht es mit einem Jeep bis Idaho Falls.

perfekte Perspektive

Dort lässt uns der Fahrer an einem Truckstop raus. Anja und Martin sind hier zwei Minuten vor uns eingetroffen. Was für ein Timing! Leider ist hier kaum Verkehr. Ein Truckfahrer meint, dass 10 Meilen weiter ein viel besserer Platz für uns wäre. Er nimmt uns vier Hobos mit. Ja, hier ist schon wesentlich mehr los. Trotzdem müssen wir noch viel Geduld beweisen, bevor uns jemand bis Salt Lake City mitnimmt. Martin unterhält sich recht engagiert mit dem Fahrer. Zum Lohn dafür fährt er uns direkt bis zum Zeltplatz. Davor muss er noch seine Ladung auf einen Eisenbahnwaggon verladen. Das ist natürlich interessant für uns. Bei Einbruch der Dunkelheit bauen wir unsere Zelte auf.

Laut meiner Liste müsste an diesem Abend der Go-Club in Salt Lake City geöffnet haben. Annett und ich laufen über eine Stunde durch die Stadt und müssen dann enttäuscht feststellen, dass in dem genannten Gebäude nichts stattfindet. Die Rücktour wollen wir mit dem Bus bewältigen. Dies gelingt uns aber erst nach drei Viertelstunden. Es ist bereits sehr frisch, als wir in den Schlafsack fallen. Noch im Morgengrauen steigen wir über den Zaun, um den unverschämt hohen Preis für den Zeltplatz zu sparen. Diese Technik müssen wir manchmal anwenden, da sonst unser geplantes Budget nicht ausreichte.

Charlie hat einfach zu viel aufgefressen. Außerdem macht uns der schlechte Wechselkurs zu schaffen. Ein Euro ist nur etwa 0,85 Dollar wert. Oftmals zahlen wir für eine Sache den gleichen Betrag wie in Deutschland – nur eben in Dollar.

Doch wieder ein Auto mieten?

Wir wollen ein Auto mieten. Nach langwierigen Preisvergleichen müssen Martin und ich dieses Vorhaben als gescheitert erklären. Unter 500 Dollar für eine Woche ist nichts zu machen. In Las Vegas soll es aber billiger möglich sein. Wir wollen deshalb die 500 Meilen bis dorthin weiter trampen.

Das ist leichter gesagt als getan. Wir stehen an einer Tankstelle, aber es will uns einfach keiner bis zum nächsten Truckstop mitnehmen. Der Tankstellenbesitzer ist schon ganz unruhig und will uns los werden. So laufen wir schließlich los. Es ist ein mehr oder weniger sinnloses Unterfangen. Wir wissen nicht einmal, wie weit es bis zum Truckstop ist.

Mexikanische Überraschungen

Die Entfernungsangaben, die man uns gegeben hatte, waren recht widersprüchlich. Wir laufen und laufen. Es ist heiß. Die Rucksäcke drücken. Irgendwann hält ein kleiner Mexikaner mit einem noch kleineren Auto. Wir quetschen uns alle vier in sein Vehikel. Sogar das Gepäck passt irgendwie hinein. Alle staunen darüber, am meisten der Fahrer selbst. Es geht kreuz und quer durch die Vororte von Salt Lake City. Zweimal halten wir und fragen nach einem Truckstop – vergeblich. Als wir kaum noch daran glauben, finden wir schließlich einen. Wir haben nicht mal Kleingeld. Der Mexikaner hätte es sich wirklich verdient. Uns bleibt noch lange ein schlechtes Gewissen, ihn mit einer Ansichtskarte von Bautzen abgespeist zu haben.

Are you going to the North?

Aber so ist (manchmal) das Leben. Der hiesige Truckstop ist nicht gerade stark frequentiert. Jemand fährt uns zu einem anderen Halteplatz für diese „rollenden Häuser“. Hier stehen überall Trucks – bestimmt 50 oder 60 an der Zahl. Nach einiger Zeit kennen wir fast alle Fahrer. Keiner will uns mitnehmen. Wir versuchen einen Trick. Normalerweise fragen wir, ob jemand nach Süden fährt, denn dort liegt Las Vegas. Meist verneint der Fahrer dann und die Sache ist erledigt. Also drehen wir die Sache um und fragen: „Are you going to the North?“. Wir hoffen, dass sie nun ebenfalls mit „Nein.“ antworten, um dann einen Grund zu haben, mit ihnen nach Süden zu reisen. Aber auch das bringt uns letztlich nicht weiter.

Der Tag neigt sich allmählich dem Ende und wir sind immer noch in Salt Lake City. Wir sind frustriert. Man will uns auch wieder des Platzes verweisen. Wir setzen uns in ein Burger King Restaurant und schlürfen missmutig ´ne Cola. Das Leben als Landstreicher ist hart. Dabei wollen wir doch nur nach Las Vegas! Wie sitzen noch nicht lange, als uns ein Mann angrinst und nach dem woher und wohin fragt. George, 28 Jahre, kleiner Bauch, hyperaktiv und – Truckfahrer! Er fährt zwar nicht nach Las Vegas, aber immerhin nach Süden. Es ist uns nun auch egal, wo es hingeht, Hauptsache weg aus Salt Lake City.

Anja und Martin ärgern sich, denn sie haben außer der Straße nichts von Salt Lake City, der Hauptstadt der Mormonen, gesehen. Wir konnten auf unserer nächtlichen Tour den großen Tempel wenigsten von außen besichtigen.

Als Entertainer nach Las Vegas

Kurz hinter der Stadt staut sich der Verkehr. Es wird dunkel und wir sind immer noch in der Nähe von Salt Lake City. Die Stadt will uns einfach nicht loslassen.

rollendes Hotel mit großer Kabine

Ich bin an diesem Abend dran, den Entertainer zu spielen. George will alles Mögliche wissen. Wie das mit der Wende war, ob wir an Gott glauben, welche Musik wir hören, wie wir zum Reisen allgemein stehen … Er ist ganz verblüfft, als wir anfangen, amerikanische Lieder zu singen – von „John Browns Body“ bis zu „My Bonny is over the ocean.“ Er will nicht glauben, dass die Sowjets so etwas an „ihren“ Schulen gelehrt haben. Überhaupt denkt George oft in Klischees.  Die „rote Gefahr“ ist nach seiner Meinung noch nicht gebannt. Heute sind es vor allem die Chinesen, die dem amerikanischen Volk ans Leder wollen. Man müsse wachsam sein.

George hält zum Tanken. Danach telefoniert er und kommt pfeifend und scherzend zurück. Man hatte ihm gerade einen 80.000–Dollar–Job angeboten. Er müsste dafür in irgendeiner Stadt LKW fahren. Als wir ihm vorrechnen, dass man für etwa 10.000 Dollar eine Weltreise von einem Jahr finanzieren kann, ist er ganz von den Socken.

Gegen Mitternacht halten wir auf einem Rastplatz. George muss die Ladung festzurren. Ich helfe ihm. Er geht dabei äußerst gewissenhaft vor. Es dauert und dauert. In der Zeit hält neben uns ein Truck der nach Las Vegas fährt. Wir steigen um. George empfiehlt uns mit den Worten “Take them – they are funny.“ Allerdings sind wir müde und haben Schwierigkeiten, den Vorschusslorbeeren gerecht zu werden. Wir machen es uns bequem.

Die beiden Fahrer drehen ihre Musik voll auf und rocken im Fahrerhaus ab. Wir sind so geschafft, dass wir trotzdem schnell einschlafen. Martin hält durch und unterhält sich sporadisch mit den beiden. Der Fahrer, ein jugendlicher Schnösel von vielleicht 20 Jahren, beendet zu Martin gewandt die meisten seiner Sätze mit „… my little friend.“ Das ist putzig, zumal er auch noch kleiner ist als Martin.

Las Vegas im Morgengrauen

Gegen 05:30 morgens treffen wir in Las Vegas ein. Die beiden haben sogar den Highway verlassen und uns direkt in die Stadt gebracht. Wir verabschieden uns und laufen in Richtung Flughafen. Dort wollen wir einen Wagen mieten. Es ist angenehm warm. Die Situation ist etwas skurril. Mit unseren vollgepackten, mittlerweile leicht ramponierten Rucksäcken laufen wir in der Morgendämmerung quer durch die Stadt. Gruppenweise kommen uns hippe Leute entgegen, die gerade die Nacht durchgefeiert haben. In Partykleidung ziehen sie lachend, sich angeregt unterhaltend und manchmal auch kreischend über den Boulevard.

Im Spielcasino

Andere joggen bereits durch den neuen Morgen. Wir dagegen sind bald durchgeschwitzt. Aber wir erleben Las Vegas: künstliche Wasserfälle, grelle Leuchtreklame, ausgefallene Architektur, fahrende Rolltreppen, Siegfried & Roy. Hier ist ein buntes Märchenschloss, dort eine ägyptische Pyramide, etwas weiter islamische Zwiebeltürmchen. Vieles sieht aus, als ob es aus einem Märchenfilm entflohen wäre. Einmal muss man das gesehen haben! Nach einer reichlichen Stunde fragen wir einen trunkenen Cadillacfahrer, ob er uns zum Flughafen fahren könnte. Der weißhaarige und sicher gut situierte Herr ist begeistert von unserer Geschichte. Hitchhiking von Kanada – das passt zur Verrücktheit von Las Vegas. Schließlich lässt er sich breitschlagen und nimmt uns ein Stück mit. Er erzählt uns von allerlei Drogen, die wir bei ihm kaufen könnten, und dass er nun seit 25 Jahren hier im Geschäft ist.

Bei Payless mieten wir für acht Tage einen Dodge zum Preis von 390 Dollar. Der Kofferraum sei groß genug, so sagte uns die Angestellte. Nun, das Urteil stimmt, auch wenn wir von Charlie und den Trucks andere Dimensionen gewöhnt sind.

Nostalgie ist jetzt aber wohl fehl am Platz. Wir packen unsere Rucksäcke hinein und füllen den verbleibenden Raum mit Lebensmitteln. Am Hoover-Damm vorbei fahren wir an diesem Abend knapp 300 Meilen. Auf einem kostenlosen Platz etwas abseits der Route 66 zelten wir.

Route USA Teil 2
Route USA Teil 2

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