Reyni und Bonnie – zwei waschechte Amerikaner in der Nähe von Escondido
Mit einem alten Auto kann man auch Leute kennen lernen. Nach den ersten relevanten Kilometern mit unserem Vehicle müssen wir feststellen, dass unser Opa nicht nur gern mal einen über den Durst trinkt, sondern auch leicht zu erhitzen ist. Liegt es am Thermostat? Können wir uns da sicher sein? Und falls ja, wie das Problem beheben?
Auf dem Zeltplatz lernen wir Reyni kennen. Er ist ein drahtiger Mittvierziger, der alles schon mal irgendwann gemacht hat und durchaus versteht, das Leben zu genießen. Er angelt gerade und hofft auf große Katzenfische. Seine Begleitung ist eher etwas seltsam.
Da ist Buck, der nicht viel sagt, nach Wodkakenner aussieht und nur beim Pokerspiel richtig aufzublühen scheint. Zum anderen begegnen wir Bonnie, Reynis Frau. Er lebt mit ihr seit acht Jahren zusammen. Bonnie war bei der American Airforce beschäftigt. Wir können uns des Eindrucks nicht erwehren, dass sie irgendwie einen kleinen Schaden hat. Sie läuft den ganzen Tag leicht verwirrt hin und her, quatscht jeden an und ist sehr erstaunt, als ich ihr eröffne, dass wir aus dem Osten Deutschlands kommen. „Dann seid ihr ja Kommunisten.“ Damit hat Bonnie ein Problem. Sie fragt mich, ob ich wüsste, dass die American Airforce die Berliner Mauer zum Einsturz gebracht hätte. Ich sehe zu, dass ich mein Gespräch wieder mit Reyni fortsetzen kann. Er bringt seine Frau meist mit solch prägnanten Worten wie „disappear“ zum Schweigen.
Wir sprechen viel über unseren Charlie. Reyni tippt ebenfalls auf das Thermostat. Sein Statement: „Eine Reparatur ist einfach – nur zwei Schrauben und das war‘s.“ Dadurch ermutigt wage ich mich an die große Herausforderung. Ich wollte schon immer mal wissen, wie einige Autoteile auf Englisch heißen. Eine gute Gelegenheit scheint gekommen. Wir setzen uns ins Auto und fahren nach Escondido. Hier fragen wir uns nach einem Autozone durch. Das ist so etwas wie ein Aldi für Autoteile. Man findet hier wirklich alles, sogar für unseren Opa. Ein Thermostat nebst Dichtung kostet gerade mal 6 Dollar. Ich greife zu.
Als nächstes zeigt mir Reyni einen Laden mit allen möglichen Biersorten. Es sind mindestens 100 aus aller Welt. Damit kann ich mich erkenntlich zeigen und entscheide mich für ein Sixpack Köstritzer Schwarzbier. Reyni möchte unbedingt noch eine Flasche Pilsner Urquell haben. Guter Geschmack, meine ich. Wir fahren auf den Zeltplatz zurück. Nun kann die Operation beginnen. Leider warten einige Probleme auf mich. Die hintere der beiden Schrauben wurde durch die Konstrukteure so gut versteckt, dass einiges Fingerspitzengefühl nötig ist, um sie zu lösen und vor allem wieder festzubekommen. Ein Blick genügt, um festzustellen, dass das alte Thermostat kaum noch vorhanden ist. Es hat sich so gut wie aufgelöst. Nach einigen Stunden müssen wir den ersten Versuch für gescheitert erklären. An der Operationsstelle tritt Wasser aus. Es gilt, alles wieder auszubauen und mit größerer Sorgfalt vorzugehen. Eine Abdichtpaste wird benutzt, um dafür zu sorgen, dass die Dichtung auch zu Recht als solche bezeichnet werden kann. Man kann sich meine Erleichterung vorstellen, als nach Abschluss der Arbeiten und einer kleinen Probefahrt das Thermostat funktioniert. Die anschließende Fahrt nach San Diego bringt ebenfalls keine unliebsamen Überraschungen. Nach kurzer Prüfung stelle ich fest, dass das Wasser nicht heiß wird. Juchhuh – vielleicht werde ich ja doch noch Automechaniker…
Am nächsten Tag lassen wir noch einen Ölwechsel für 30 Dollar vornehmen. Der Mechaniker nimmt das Auto auf die Rampe und ist mit dem technischen Zustand zufrieden. Nach seiner Auffassung ist die Kiste 500 Dollar wert. Nun ja, jedenfalls sind wir guter Hoffnung, dass Charlie in seinem Leben noch einmal Kanada sehen wird.
San Diego
San Diego ist die zweitgrößte Stadt Kaliforniens noch vor San Francisco. Sie liegt klimatisch wirklich ideal. Wir genießen die riesigen Strände und die gute Luft, bleiben fünf Nächte. Es ist herrlich, ohne Zeitdruck zu reisen. Wir lassen die Ereignisse geschehen und machen uns nicht viel Gedanken über die nächsten Tage. Keine großen Reiseplanungen. Der Rahmen, der uns durch die Flüge vorgegeben ist, genügt. Manchmal denken wir an zu Hause, an die Zeit, die wir zurück gelassen haben. Ab und zu träume ich von der Arbeit. Das alles erscheint schon sehr weit weg zu sein.
Die großen Touristenattraktionen San Diegos wie Seaworld, Zoo und die Fahrt mit einem historischen Trolleybus durch die Stadt lassen wir wegen überzogener Preise weg. Dafür schlendern wir durch Old Town, welche das Leben vor über 200 Jahren dokumentiert, als die Spanier San Diego gründeten. Faszinierend ist ein originales Zahnarztzimmer mit fußgetriebenem Bohrer. Wir fahren nach Downtown, spazieren die langen Straßen entlang und beobachten das Menschentreiben. Auffallend sind viele wirklich fette Menschen. Die Fastfood-Kultur hat deutlich ihre Spuren hinterlassen. Die Stadt ist sehr sauber, dennoch sieht man auch Arme und verwahrloste Gestalten. In feinen Zwirn gekleidete Hektiker fallen auf. Wir warten auf ein schönes Fotomotiv. Da ist es! Ein Flugzeug fliegt förmlich durch zwei Skyscraper hindurch. Der nahe Flugplatz liegt mitten in der Stadt. Wie schon in Los Angeles beeindrucken uns die Straßen- und Brückenkonstruktionen. Manchmal wurden vier oder fünf Ebenen übereinander gelegt und scheinbar ineinander verknotet. Ein besonderes dieser Exemplare verbindet die Halbinsel Coronado mit dem Festland. Die Brücke ist bestimmt 30 – 40 Meter hoch und ermöglicht einen tollen Blick auf Downtown. Man kommt sich vor wie im Flugzeug.
Am besten bewegt man sich in San Diego mit dem Bus. Er ist preiswert und man kommt mit Sicherheit in relativ kurzer Zeit zum Ziel. An einem Tag machen wir den Fehler, mit dem Auto durch die Stadt zu fahren. Wählt man einmal die falsche Spur, und dazu hat man viele Chancen, gelangt man unfreiwillig an das andere Ende der Stadt. Die Zielerreichung hat somit hochgradig iterativen Charakter. Die Sonne lässt die Temperaturen im Wageninneren steigen, die Nerven werden gespannter und die Tanknadel nähert sich unaufhaltsam dem äußerst linken Anzeigebereich. Wir lernen, dass LEER wirklich leer bedeutet. Glücklicherweise nicht auf einer Brücke oder einem Highway, sondern in einer Nebenstraße versagt der gute, alte Charlie seinen Dienst. Die bekannte Aral-Werbung kommt uns in den Sinn. Ich laufe los. Auf dem Hinweg nimmt mich ein Seaworld-Shuttle mit, in der Gegenrichtung bin ich auf meine Füße angewiesen – im Hinterkopf diese Melodie: „I’m walking …“. Nach einer Stunde – Annett hat in diese Zeit tapfer die Stellung gehalten – bin ich zurück – mit einer Gallone „Gas“. Ich fülle das Benzin ein. Der Startversuch leert allerdings die Batterie. Ich frage einen Taxifahrer nach Starthilfe. Der knöpft mir für diesen kleinen Dienst 5 Dollar ab. Doch dann läuft das Auto wieder.
Am Abend gibt es in unserem Hostel „Free Dinner“ Leider bedeutet das nur Burgeressen bis zum Umfallen. Aber das immerhin zweimal die Woche. Den Leuten hier sieht man an, was die Burgerzentralen so anrichten. Als das Hostel aber ein 50-Liter-Fass Freibier springen lässt, sind wir begeistert. Das ist lecker! Abends beim Spaziergang können wir ab und zu ein kleines Feuerwerk über der Stadt beobachten.
Tijuana
Wir machen einen Ausflug nach Tijuana, der nahegelegenen mexikanischen Grenzstadt. Bis zur Grenze fahren wir mit einer elektrisch betriebenen Trolley – Bahn. Die einstündige Fahrt kostet gerade mal zwei bucks. Dafür bringt ein Bus den Touristen direkt ins Stadtzentrum. Tijuana ist im Unterschied zu San Diego, das nur wenige Meilen nördlicher liegt, total hektisch. Auf unserer Tour lernen wir leider nur die Touri-Meile kennen. Wir sehen viele Japaner, die sich für ein paar Dollar auf angemalten Eseln mit Tijuana-2000-Hüten fotografieren lassen.
An einem Strand kann man hüpfende Bohnen kaufen. Es handelt sich um erbsengroße Bohnen, die in einer großen Kiste liegen und seltsam springende Bewegungen machen, ohne dass sie jemand anstößt.
Hütchenspieler sind an einer Ecke zu beobachten, wo sie unter großer Anteilname der Umstehenden ihr Geschäft betreiben. Ich sehe, wie vier Finger unterschiedlicher Hände eine Kappe festhalten, unter der die gesuchte Kugel vermutet wird. Die Kappe wird hochgehoben und natürlich wird nur ein leerer Platz von der Sonne beschienen. Ein maschinengewehrähnliches Stimmengewirr dringt an unsere Ohren und lässt uns das Weite suchen.
San Bernardino
Telefonisch buchen wir einen Zeltplatz nördlich von San Bernardino. Das Telefonieren geht mittlerweile ganz gut. Das ist auch notwendig, denn gerade im Sommer sind viele Plätze auf Wochen ausgebucht.