USA / Welt

Folge 22 Der zähe Weg nach Gardiner

Heute geht es nur sehr schwerfällig voran. Annett und ich laufen zur Auffahrt der Interstate. Es gibt aber nur eine Auffahrt in Richtung Norden. Wir wollen bekanntlich nach Süden. Wir gehen auf die andere Seite und versuchen es trotzdem. Auf dem Highway hält keiner an. Wir laufen wieder zurück, an unserem Motel vorbei bis zu einem Truckstop. Über eine Stunde haben wir so verplempert. Anja und Martin sind bestimmt schon über alle Berge. Aber siehe da! Sie stehen mit frustrierten Gesichtern am gleichen Truckstop.

Butte, Livingston, Gardiner

Es ist nicht so leicht, hier zu trampen. US-amerikanische Trucker verstoßen gegen die Vorschriften und gefährden ihren Arbeitsplatz, wenn sie Hitchhiker mitnehmen. Es bleibt nur die Hoffnung auf die Kanadier. Endlich, Mittag ist lange vorbei, erklärt sich ein junger kanadischer Fahrer bereit, uns vier mitzunehmen. Entertainer auf dem Beifahrersitz ist heute Martin. Wir anderen machen es uns in der großen Schlafkabine des Trucks gemütlich. Nach zwei Stunden Fahrt erreichen wir einen Truckstop in Butte.

Das Schwierigste am Trampen ist das Loskommen. Wenn man das geschafft hat, läuft es meistens ganz gut. So dauert es auch in Butte nicht lange, bis uns ein weiterer Truck bis nach Livingston mitnimmt. Er transportiert tiefgefrorene Pommes bei – 10° Fahrenheit (etwas unter – 20 ° Celsius). Aus Platzgründen werden unsere Rucksäcke in den Kühlraum gestellt – eine echter Qualitätstest. In Livingstone ist es bereits dunkel.

Wir stillen unseren Hunger bei Mc Donalds. Ich muss mir Verschwendung und Maßlosigkeit vorwerfen lassen, weil sich gleich drei (!) Burger auf meinem Tablett befinden. Nun ja, das lasse ich über mich ergehen. Danach bin ich endlich mal wieder richtig satt. Glücklicherweise finden wir noch spät am Abend zwei Autos, die uns bis Gardiner, unmittelbar am Nordeingang des Yellowstone Nationalparks mitnehmen. Für unglaubliche 25 Dollar bekommen wir eine einfache Cabin mit 4 Betten.

Hitchhiking im Yellowstone

Am nächsten Morgen bekommen wir recht schnell einen Ride nach Mammoth Hot Springs. Dieser Ort liegt bereits im Nationalpark. Eine Frau fährt mit ihrem Pickup zum Arzt und hat deshalb genug Platz für alle vier. In Mammoth befinden sich Sinterterassen, die tatsächlich jeden Tag etwas anders aussehen.

Im Visitor Center wollen wir unsere schweren Rucksäcke unterstellen. Dieser Wunsch wird jedoch mit einem „NO!“ kategorisch abgelehnt und auch auf unsere Nachfrage nicht näher begründet. Wir sind etwas ratlos und betrachten zunächst einmal die Elche, die unmittelbar neben dem Visitor Center auf den Wiesen liegen.

Man unterscheidet hier zwischen Elk und Moose. Ein Moose ist mächtiger und hat ein breites Geweih. Der Elk hingegen hat ein spitzes Geweih und ist schmächtiger. Dann versuchen wir noch einmal, unser Gepäck loszuwerden. Vielleicht liegt es an unserer Hartnäckigkeit oder daran, dass die Angestellte in diesem Haus etwas toleranter erzogen wurde, jedenfalls dürfen wir unsere Rucksäcke nun im Chefzimmer der Parkverwaltung abstellen.

Old Faithfull

Bei strahlendem Sonnenschein und kühler, klarer Luft wandern wir dann über die bunten, blubbernden Wasserquellen. Wir bilden wieder zwei Paare, um zu trampen. Unser Ziel ist der Old Faithfull im Süden des Parks. Annett und ich fahren mit Marc mit. Er hat sein Grundstudium absolviert  und möchte für das Hauptstudium die Uni wechseln. In der Zeit dazwischen besucht er mit seinem Ford verschiedene Nationalparks. Wir hatten ihn bereits im Whiskey Jack Hostel 1.200 km nördlich von hier getroffen.

Auf dem Weg zum Old Faithfull sehen wir Kojoten, Büffel und viele heiße Quellen. Sehr auffällig sind auch die Schäden vom Waldbrand 1988, der große Teile des Nationalparks verwüstete. Damals entbrannte ein Streit zwischen der Reagan–Administration, die um Einnahmen aus dem Tourismus bangte, und Naturschützern, die auf die Bedeutung von Bränden für das natürliche Gleichgewicht hinwiesen.

Am Old Faithfull drängeln sich in Spitzenzeiten 25.000 Touristen, um dem Ausbruch des berühmten Geysirs zu huldigen. Als wir ankommen, ist gerade eine Eruption vorbei. Wir sehen noch die Dampfschwaden am Himmel. Auf einer Tafel wird minutengenau über die Ausbruchszeiten informiert. Wir nutzen die 80 Minuten bis zum nächsten Ausbruch für eine kleine Wanderung durch die Geysirlandschaft. Dann ist es soweit. Pünktlich rührt sich der alte Getreue. Eine riesige, 50 Meter hohe Wasserfontäne steigt in den Abendhimmel. Es ist schon erstaunlich, dass man förmlich die Uhr nach diesem Naturschauspiel stellen kann.

Bei der Übernachtung wird gefeilscht

Wir müssen eine Übernachtung organisieren. Es sind nur noch wenige Zeltplätze offen. Außerdem ist es nachts ziemlich kühl. Die Temperaturen liegen dann nahe dem Gefrierpunkt. Die nahegelegene Lodge bietet Zimmer für stolze 103 Dollar pro Nacht. Der Preis sinkt zwar bis auf 79 Dollar, ist aber trotzdem noch zu hoch für uns. Marc ist so freundlich und fährt uns nach West Yellowstone, einem kleinen Touristenort außerhalb des Parks. Hier finden wir ein Motel für 48 Dollar. Wir genießen die Wärme des Zimmers. Anja und Martin erkunden auch am nächsten Tag den Nationalpark. Sie wandern in einigen abgelegenen Gebieten. Annett und ich nehmen eine Auszeit.

Wie schlafen aus, duschen und frühstücken in aller Ruhe. Wir schauen uns einen Film im Fernsehen an. Ich schreibe Tagebuch und bin somit seit Wochen wieder auf dem neuesten Stand. Wir gehen außerdem in die  Library und bestellen per E-Mail ein paar Sachen bei den Eltern, die uns bald besuchen kommen.

Route USA Teil 2
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