Folge 21 Unser Start on the Road

Die Stelle, an der uns Ole aussetzt, ist für den Start unserer Trampertour nicht sehr glücklich gewählt. Wir stehen an der Straße und  – warten. Keiner hält an. Es dauert eine ganze Weile, bis wenigstens jemand Notiz von uns nimmt. Die ersten Angebote nach Lethbridge lehnen wir ab. Schließlich liegt dieses Nest ja gleich um die Ecke. Wir wollen doch nach Las Vegas! Aber das erzählen wir niemandem. Man würde uns wohl sonst für verrückt erklären. Nach stundenlangem Warten beschließen wir uns in zwei Paare zu trennen, um die Chancen zu erhöhen. Und irgendwann sind wir dann doch ganz froh, erstmal bis Lethbridge mitgenommen zu werden.

Zu trampen ist eine neue Erfahrung für uns. Klar, der Rucksack ist schwer und es ist blöd, manchmal sehr lange an der Straße zu stehen, nicht wissend, wann es weiter geht und wo der Tag endet. Aber man wird durch viele neue Eindrücke und Kontakte entschädigt. Oftmals ist den Fahrern langweilig. Sie freuen sich über Gesprächspartner. Und als Europäer ist man hier ein Exot. Anfangs redet man immer über die gleichen Dinge: Woher? Wohin? Warum? Aber es erweitert unsere Englischkenntnisse und so können wir auch diese Geschichten variieren. Man kommt sich vor, wie ein Schauspieler, der jeden Tag vor wechselndem Publikum steht und immer wieder begeistern und interessieren muss. Auch, wenn er immer den gleichen Stoff erzählt, bemüht er sich jedes Mal um neue Nuancen.

„And don’t forget: it’s illegal to hitchhike on the Interstates!”

Lethbridge wird ein Glücksfall. Annett und ich werden bis an die Interstate Nr. 4 gefahren. Unser selbst gebasteltes Schild mit der Aufschrift „USA“ brauchen wir nur 10 Minuten. Da biegt eine Kolonne aus vier Trucks um die Ecke. Der letzte nimmt uns mit.

Der Fahrer ist noch recht jung und sehr stolz auf seinen Truck. Begeistert berichtet er von seinen 18 Gängen und den 550 PS, die das Fahrzeug zu einem Geschoss werden lassen. Der Truck hat erst 1.600 km weg und ist somit wirklich brandneu.

Unser junger Kapitän erklärt mir alle möglichen Anzeigen am Armaturenbrett. Dann soll ich auf Deutsch eine Ansprache an seine Kollegen halten. Es ist ein seltsames Gefühl, als ich das Mikro des Funkgerätes nehme. Ich gebe ein kurzes Statement ab und fühle mich gleich selbst wie ein Truckfahrer. Kurz vor der Grenze setzt man uns ab. Unser Fahrer sagt, dass es noch 20 Minuten seien. „Zu Fuß?“, frage ich. Er nickt. Wir laufen los.

Kurze Zeit später hält ein anderer Truck und meint, dass es noch 12 Meilen seien. Wie steigen ein. Mit ihm könnten wir in 24 Stunden bis nach Las Vegas fahren, aber er macht auf uns einen merkwürdigen Eindruck. So steigen wir an der Grenze aus. Noch auf kanadischer Seite setzen wir uns in ein Café, um unser letztes Kleingeld zu verbrauchen. Kaum steht das Essen auf dem Tisch, laufen Anja und Martin am Fenster vorbei. Kurioserweise hatten sie in Lethbridge an derselben Stelle wie wir gewartet und konnten sogar unser „USA-Schild“ nutzen. Nun sind wir wieder zu viert.

Außer dem Café gibt es hier nur noch die Gebäude der Grenzabfertigung. Mit unseren Rucksäcken spazieren wir in Richtung Grenze, um in das „Land der unbegrenzten Möglichkeiten“ einzureisen. Der Beamte, der uns empfängt, ist ein wahrer Amerikaner. Er ist farbig, 1,90 m groß und mindestens zwei Zentner schwer. Sein blütenweißes Hemd fallen ebenso auf wie seine klugen und funkelnden Augen. Er betrachtet unsere Pässe und fragt nach unserem Auto. Dann fällt er aus allen Wolken, als wir ihm erzählen, dass wir nach Las Vegas trampen wollen.

Hitchhiking ist auf Montanas Interstates verboten und hier gibt es nur die eine Straße – die Interstate 15. Er nimmt unsere Pässe und bedeutet uns, im Flur Platz zu nehmen. Wir warten mit mulmigem Gefühl im Bauch mehr als eine Stunde. Dann macht Martin den Versuch, dem Grenzbeamten zu erzählen, dass wir gleich in Sweet Grass (der erste Ort nach der Grenze ) ein Auto mieten werden.

Sweet Grass – Grenze USA

Diese Art von Humor scheint dem Amerikaner zu gefallen. „This is Sweet Grass!!“ Sein hünenhafter Körper knickt hinter der Schaltertheke ab und er schüttet sich förmlich vor Lachen aus. Immer noch lauthals lachend erklärt er, dass es hier nichts gebe. Der nächste Ort sei buchstäblich meilenweit entfernt. Wir sollten lieber dorthin zurück, woher wir gekommen sind – nämlich nach Kanada.

Das wollen wir natürlich nicht. Schließlich hat der Beamte doch ein wenig Mitleid oder auch Sympathie mit uns und berät sich mit seinen Kollegen. Er macht folgenden Vorschlag: trampen sei zwar verboten, aber wenn wir dort auf dem Parkplatz einen Freund träfen, so könnte der uns natürlich mitnehmen.

Wieder in den Vereinigten Staaten

Für jeweils 6 Dollar bekommen Anja und Martin ihre Einreisebestätigung. Ich muss ebenfalls bezahlen, weil ich meine verloren habe. Als wir uns von unserem Beamten verabschieden, schärft er uns noch einmal ein: „And don’t forget: it’s illegal to hitchhike on the Interstates!”. Mit freundlichem Gesicht drückt er uns die Pässe in die Hand. Wir danken und ziehen schnell zum Parkplatz.

Mittlerweile ist es dunkel Aber wir haben Glück, es dauert nicht lange, um in dem kleinen Restaurant einen „Freund“ zu finden. Ein ziemlich junger Kerl nimmt uns bis Great Falls mit und bringt uns zu einem preiswerten Motel.

Route USA Teil 2

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