2024-Görlitz-Krakau-Tag 1 Start in Görlitz

Der erste Tag einer Radtour ist meist speziell. Die konkrete Vorfreude setzt schon ca. 3 Wochen vorher ein. Es macht sich eine innere Unruhe breit, dass man ja an alles denkt und kein Detail in der Vorbereitung vergisst. Die Strecke will geplant und natürlich optimiert sein. Übernachtungen müssen das beste Preis-Leistungsverhältnis bieten und sollen auch immer mal den Wow-Effekt auslösen. Sie müssen so gewählt sein, dass die Tagesstrecken nicht zu lang und nicht zu kurz sind – Präferenzen hinsichtlich Frühstück und kurzer Wege am Abend müssen natürlich berücksichtigt sein. Jeden Tag Frühstück ist genau so öde wie nie – die Abwechslung an den Tagen spielt hier eine wichtige Rolle.

Und dann ist da noch die Tatsache, dass wir dieses Jahr ohne Begleitfahrzeug unterwegs sein werden. Am Ende ist es erstaunlich, wie wenig man mitnimmt, wenn Haiko nicht als Helfer in der Not zur Verfügung steht.

Und dann gibt es noch das leidliche Problem der Wetterprognosen. Etwa 16 Tage vor Tourbeginn werfe ich einen ersten Blick auf die Prognosen. Ich bin fast jedes Jahr aufs Neue überrascht, wie sinnlos diese Übung ist. Dieses Jahr zum Beispiel schwankten die Vorhersagen von Tag zu Tag zwischen 35 und 15 Grad – es gab jeden Morgen eine andere Prognose für den Starttag. Unwetter oder Hochsommer – so entscheidend dies für eine Radtour und den Inhalt der Packtaschen ist, so wenig mögen sich die Wetterfrösche in diesen Zeiten auf eine Prognose festlegen. Insbesondere wenn es sich um eine 12-Tage Tour handelt.

Die Woche vor unserer Abreise verbringe ich schwitzend und hart arbeitend bei schwülen 30+ Grad auf Dienstreise. Pünktlich zum Wochenende stellt sich die Wetterlage grundlegend um und es gibt Gewitter und regelmäßig Schauer und Starkregen – so soll es kommende Woche auch werden – na prima!

Und was passiert dann?

Montag 05:00 klingelt der Wecker – 05:45 satteln wir die Böcke bei 16 Grad und blauem Himmel vor unserem Haus.

Das obligatorische Foto auf dem Markt wird wieder gemacht und wenige Minuten später sitzen wir im Zug nach Görlitz. Die Neiße-Grenzstadt empfingt uns bei milden 20 Grad und strahlendem Sonnenschein. Wir brechen auf nach Polen und ich habe sehr angenehme Erinnerungen an diverse Touren quer durch das Land der Polonia.

Meine Vorfahren stammen aus Schlesien und ich habe die Gastfreundschaft bei mehreren Fahrradtouren von und nach Warschau und sogar quer durch Polen bis zum Baltikum mehr als schätzen gelernt.

Wir erreichen die erste Kleinstadt in Niederschlesien – Nowogrodziec. Ein unscheinbares Städtchen und doch reich an (deutscher) Geschichte. Bis ins 13.Jahrhundert reichen Zeugnisse zurück – Naumburg am Quais – so der stolze Name. Die Stadt war fast durchgehend deutsch bis 1945 die Einwohner komplett vertrieben wurden und seitdem eine neue Geschichte geschrieben wird.

Es geht weiter und wir fühlen uns heute fast etwas unterfordert – das liegt wahrscheinlich daran, dass die Bedingungen nahe am Optimum sind. 22 Grad, leicher Rückenwind, tolles Licht – leicht welliges Terrain auf Radwegen, Straßen und auch ein paar Gravel-Abschnitten.

Schon gegen 14:00 erreichen wir das Ziel in Bolesławiec oder Bunzlau/Bunzel wie es auf deutsch/schlesisch hieß. Auch diese Stadt kann eine lange Geschichte von Krieg und Vertreibung erzählen. Nach dem Krieg wurden hier Menschen aus Lemberg und Jugoslawien angesiedelt – die einheimischen Deutschen mussten sich auf den langen Marsch nach Westen begeben.

Kaum haben wir unser schönes Zimmer bezogen, öffnet der Himmel seine Schleusen. Es hat sich ausgezahlt, dass wir so zeitig hier waren. Wir speisen fürstlich und fallen danach in einen tiefen und angenehmen Ferienschlaf aus dem wir erst gegen 20 Uhr wieder erwachen.

Nun sind wir angekommen auf unserer Reise durch Schlesien – hin nach Breslau, Auschwitz und Krakau. Wird sich unser Bild von der deutschen Geschichte ändern?