Inspiriert von einer YouTube-Serie (7 vs. Wild), in der 7 Kerle in der Wildnis Schwedens für 7 Tage ausgesetzt werden und mit verrückten Tagesaufgaben den Härtesten ermitteln, hatte wir uns eine Nachtwanderung im kalten Januar in der Nähe von Leipzig vorgenommen.
Ich kann mich noch sehr gut an die Nachtwanderungen in Ferienlagern meiner Kindheit erinnern. Das waren prägende Erlebnisse, wenn sie auch meist zu kurz waren. Nicht immer verdienten sie das Prädikat „Nacht-“ wanderung, da sie nicht wirklich in der Dunkelheit stattfanden. Das wollte ich hier anders machen. Wir haben uns einen echten Kanten (22km) ohne Ausweichmöglichkeit (da See-Umrundung) und in kompletter Dunkelheit ausgesucht. Wir starten Anfang Januar bei 1 Grad 19:20 am Nordufer des Zwenkauer Sees und warten auf Dinge, die passieren werden. Und man kann sich bei solchen Unternehmungen darauf verlassen, dass irgendetwas unvorhergesehenes passiert.
Nach 10 Minuten schalten wir die Stirnlampen aus und lassen die Schwärze der Nacht auf uns wirken. Es ist irgendwie unheimlich und prickelnd. Da und dort schreien Gänse. Frischt der Wind auf, geht der Blick gen Himmel und man lauscht, ob es vielleicht doch ungemütlich wird. Der Mond steht hoch am Himmel und er ist unser Begleiter, bis er 23:36 am Horizont verschwindet, nicht ohne noch ein letztes Mal verschmitzt aus einer Wolke zu blinzeln.
Wir unterhalten uns viel über Herausforderungen, die die Natur da draußen für die Menschen parat hält und was wir und die gesamte Menschheit machen würden, wenn uns ein Asteroid treffen würde. Diese Dinge haben uns auch schon zu meiner Kindheit bewegt und es ist heute nicht anders. So vergehen die ersten zwei Stunden wie im Flug. Wir machen kaum Pausen und erreichen bei Monduntergang Zwenkau.
Heißer Tee und ein paar Bautzner Walnüsse sind zunächst sehr willkommen – aber bald kreisen die Gedanken, um eine warme Mahlzeit. Es ist mittlerweile bitterkalt – die Pfützen haben alle eine Eisschicht – trotzdem machen wir hinter Zwenkau eine ausgiebige Pause und benutzen das mitgenommene Kochgeschirr. Die Kinder sammeln Holz und Birkenrinde. Wir versuchen ein kleines Feuer zu entzünden, geben den Plan jedoch nach einer halben Stunde auf – zu fortgeschritten ist die Nacht – zu lang der noch vor uns liegende Weg. Also packen wir alles zusammen und stiefeln weiter durch die Nacht.
Plötzlich liegt vor uns auf dem asphaltierten Weg eine pelzige Handtasche. Es gruselt leicht – nein, es muss eine Katze sein – es duckt sich und wir sehen zwei kleine rote Augen. Wir kommen näher – es läuft nicht weg – es kann nicht weglaufen! Es ist ein armer kleiner Waschbär, den es ganz schön erwischt hat. Der Hals sieht irgendwie kahl und verletzt aus – seine kleinen dünnen Beinchen kreisen in der Luft und scheinen nach Hilfe zu betteln – er zittert vor Kälte.
Er liegt auf dem kalten Asphalt und kommt nicht weg – rechts ist Wasser, links ein unüberwindlicher Zaun – es ist hoffnungslos. Wir nehmen ihn ein Stück des Weges mit und suchen ein schönes Plätzchen für ihn, unter einem kleinen Eichenbaum auf einer weichen Wiese. Wir knacken zwei Nüsse und lassen sie neben ihm liegen – dann müssen wir aber weiter. Wahrscheinlich wird er die Nacht nicht überleben. Die Stimmung ist gedrückt. Haben wir alles richtig gemacht oder hätten wir das Tier lieber in ein Tierheim geben sollen? Aber nein – das hätte ihm nicht geholfen – er war schon zu schwach – mehr konnten wir nicht für ihn tun.
So vergehen die letzten Kilometer mit Gesprächen über die Existenz, die Vergänglichkeit des Lebens und menschliche Wärme sowie die Härte der Natur.
Gegen 02:00 erreichen wir das Fahrzeug am Ausgangspunkt und sind erfüllt von Zufriedenheit, es geschafft zu haben – auch wenn die Füße am Ende ganz schön gemeckert haben.