USA / Welt

Folge 28 Abschied ist ein scharfes Schwert

Wir fahren auf der berühmten Straße Nr. 1 entlang der Küste in südliche Richtung. Das ist nichts für Nervenschwache. Über 70 Meilen folgt eine Haarnadelkurve der nächsten. Die im RV oben Liegenden können ihre Mägen auf Kurventauglichkeit testen. Spannend wird auch die Entwicklung des Benzinpreises. Mit 3 Dollar je Gallone erleben wir auf dieser Strecke den höchsten Benzinpreis unserer US–Tour.

So lässt sich’s aushalten

Wir landen ohne Zwischenfälle in Big Sur. Eine sehr steile Straße führt zum Zeltplatz hinab. Unten ist eine betonierte Furt durch ein Flüsschen zu durchqueren. In der Rezeption zeigen Fotos von umgestürzten Wohnmobilen, dass nicht jeder diese Herausforderung meisterte. Bis spät in die Nacht hinein spielen wir Canasta, wobei die männliche Mannschaft durch geschickte Regelauslegung mit der exakt letzten Karte den bereits sicher geglaubten Sieg der Frauen verhindern kann.

Es beginnt eine Zeit des Packens. Die Stimmung ist wehmütig. Wir haben die letzten Wochen so gelebt, als ob alles ewig so weitergehen würde – ohne straffe Terminpläne, ausschließlich mit selbst gesetzten Vorhaben. Nun spüre ich seit langem mal wieder, dass so eine Reise auch zu Ende gehen kann. Es ist durchaus gut, dass wir ab und zu an die Vergangenheit und somit auch die Zukunft unseres Seins erinnert werden. Die Eltern werden bereits in 3 Tagen wieder arbeiten. Carpe Diem! Doch darin sollte ausdrücklich auch einmal Nichtstun inbegriffen sein.

Bis Mojave können wir noch im Luxushotel mitfahren. Dann trennen sich die Wege. Vor den Eltern liegen noch reichlich 200 Meilen bis Las Vegas, von wo sie nach Deutschland zurück fliegen werden. Wir wollen nach Los Angeles.

Abschied ist ein scharfes Schwert. Das spüren wir auch diesmal. Es fließt so manche Träne. Vati meint wehmütig, dass es wohl das letzte Mal gewesen sein wird, dass wir zu sechst Urlaub gemacht haben. Für die Eltern ist es sehr wichtig, dass wir alle vier gemeinsam weiter reisen. Acht Monate liegen vor uns. Das ist schon noch eine lange Zeit. Andererseits sind für Annett und mich bereist 30 % der gesamten Reisezeit abgelaufen. Wir machen ein Abschiedsfoto vor „unserem“ RV. Als die Eltern von dannen fahren, versuchen wir tapfer, fröhlich zu lächeln. Doch es gelingt uns nur, bis sie außer Sichtweite sind. Auch an uns geht die Situation nicht spurlos vorüber.

Der Bruch zum normalen Weltreiseleben ist dann recht krass. Wir stehen an einem kleinen Truckstop. Eine steife Brise weht uns ins Gesicht. Uns wird diese Symbolik des Augenblicks bewusst. Nach 10 Minuten weist man uns darauf hin, dass Hitchhiker nicht erwünscht sind.

Ich erfahre, dass um 18 Uhr ein Bus nach L.A. fährt. Jetzt ist es Mittag. Wir fragen Dutzende Truckfahrer. Keiner will oder kann uns mitnehmen. Das Schlimme ist, dass überhaupt kaum jemand in Richtung L.A. fährt. So frusten wir den ganzen Nachmittag in diesem Nest herum. Den Bus verpassen wir beinahe, weil er 10 Minuten früher abfährt. Die Fahrt kostet 16 Dollar pro Person. Es regnet fast während der ganzen Fahrt – passend zu unserem Seelenzustand. Der Bus hält unweit des Hollywood-Boulevards. Wir handeln in dem uns schon bekannten Hostel einen relativ guten Preis heraus – 50 Dollar für alle vier. Martin ist sauer, dass schon wieder so viele harte Dollar sein Portemonnaie für eine Schlafgelegenheit verlassen, obwohl er doch ein Zelt trägt. Er will gar nicht glauben. dass in dieser riesigen Stadt nur drei Zeltplätze noch dazu in weit außen liegenden Bezirken existieren. Aber es ist leider so. Wir beschließen deshalb, die folgende Nacht auf dem Flughafen zu verbringen.

Die Besteigung Hollywoods 

Nach ausgiebiger Nutzung des Internets in der örtlichen Bibliothek und einem Spaziergang auf dem Sunset-Boulevard entschließen wir uns, in Richtung des berühmten Hollywood- Zeichens zu wandern. Zuerst will ich gar nicht mit. Das obligatorische Foto haben wir doch bereits vor einigen Wochen geschossen. Doch später werde ich froh sein, mich angeschlossen zu haben.

Langsam laufen wir durch das Villenviertel am Fuß der Berge. Die Straßen schlängeln sich, völlig untypisch für amerikanische Verhältnisse, scheinbar ohne System die Berge hinauf und die Zwischentäler hinab. Als Fußgänger hat man dabei manch frustrierende Erkenntnis zu verdauen. Die Straße führt fast nie in die Richtung, in die wir wollen. Und wenn doch mal die Richtung stimmt, geht es extrem steil bergauf.

Wir passieren das ehemalige Wohnhaus von Charlie Chaplin, ein bunt angestrichenes Märchenschloss mit Türmchen und aufwändig gestalteten Terrassengärten. Das Gebäude ist allerdings schon mächtig in die Jahre gekommen. Der letzte Anstrich scheint lange her zu sein und gewohnt hat hier seit Charlie Chaplin wohl auch keiner mehr.

Der Weg windet sich weiter hinauf. Endlich ist das Hollywood Sign zu sehen. Wir nehmen uns vor, noch so lange zu laufen, wie es bergauf geht. Das kann ja schließlich nicht mehr lange sein. Als wir oben sind, beginnt ein kleiner Weg durch die Hänge. Am Ende des Weges erblicken wir einen kleinen Stausee und haben wunderbare Sicht auf das protzige Symbol Hollywoods.

Doch da vorn geht es ja noch um die Ecke. Dort muss der Blick noch besser sein. Hinter der Ecke ist der Blick nicht nur noch besser, sondern man erkennt auch, dass es sogar möglich ist, direkt an den Schriftzug heranzulaufen, obwohl das offiziell verboten ist.

In 20 Minuten kraxele ich den steilen Hang hinauf und posiere zwischen den beiden „L“s für das Foto des Monats. Leider hat das Foto jedoch die Zeit nicht überdauert. Anja und Martin waren bereits an einer Kreuzung abgebogen und hatten einen anderen Weg genommen. Wir treffen sie abends im Hostel wieder und ich berichte stolz von meiner Fotoaktion. Im Nachhinein bin ich ein wenig traurig, dass ich nicht noch auf einen Buchstaben geklettert bin. Aber die Sache erschien mir zu wacklig. Die 7 m hohen Buchstaben bestehen lediglich aus dünnem Wellblech. Eigentlich typisch für Hollywood: mehr Schein als Sein.

Route USA Teil 2
Route USA Teil 2

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