von | Bebrovo (BGR) |
nach | Sliwen (BGR) |
↔ 71km ⬆ 1.450 Hm ⬇ 1.610 Hm | |
🛌🏻 GRANDE SPA DELUXe STUDIOS, Gradska gradina, 8804 Sliven Bulgarien |
Zahlendreher können für Menschen unterschiedliche Bedeutungen haben. Angekündigt war heute nach 23,7km der höchste Pass des Tages. Bis auf 920m sollte es hinaufgehen.
Numerologen, insbesondere jene mit einer Passion für die Ziffernfolge 37, sehen in dieser Ankündigung ein Zeichen der Vorsehung. Kopf- und andere Zahlenmenschen, die ihre Kraft nach Verkündigung des Streckenmeisters entsprechen einteilen, richten ihre volle Kapazität auf die Einteilung von sowohl mentaler als auch körperlicher Ressourcen, um entsprechend gerüstet in den Tag zu starten.
Es ging gleich ordentlich zur Sache und die Berge des bulgarischen Balkans kamen rasch näher. Höhenmeter um Höhenmeter wurden bezwungen – und bald muss ja auch die Passhöhe kommen, obwohl sie nicht wirklich zu sehen ist. Aber der Streckenmeister hat immer recht. Als dieser jedoch nach etwa 20km verkündet, dass es sich um einen Zahlendreher handeln muss und der Pass der Glückseligkeit erst nach Kilometer 32,7 kommt, ficht dies den Numerologen nicht weiter an – die Zahlen wurden ja nur vertauscht. Beim anderen Teilnehmer führt diese locker angekündigte Planänderung zur Dysfunktionalität der Mundwinkel und der Streckenmeister kann sich die Menge und Form der Verwünschungen, die sich im Kopf des anderen ausbilden, allenfalls vorstellen – glücklicherweise finden diese nicht den Weg in die Öffentlichkeit und kurze Zeit später wird die Nachricht mit Contenance verarbeitet und man stellt sich der bitteren Realität.
Acht weitere Kilometer geht es in Serpentinen den Berg hinauf – aber es soll ja der höchste Punkt des Tages – auf 920m sein. Oben empfängt uns der Trainer mit frischem Kaffee, einem Apfel und ein paar Nüssen – Radlerherz was willst Du mehr.
Reichlich 30km liegen noch vor uns – es soll sich laut Komoot um eine veritable Abfahrt handeln – allerdings gefinisht durch einen nochmaligen größeren Anstieg. Da der leichtgläubige Streckenmeister auf Einheimische hört, ändert er kurzerhand seine Streckenplanung. Vom Pass zweigt eine Straße links ab, die angeblich erst vor vier Monaten durch Arbeit fleißiger bulgarischer Hände errichtet wurde und tolle Aussichten entlang eines langen Bergsattels bieten soll. Später stellt sich heraus, dass die original-geplante Straße neu geteert wurde – die Alternativroute teilweise eine Ansammlung von Schlaglöchern ist.
Der neue Weg führt uns leider auch nicht abwärts sondern weitere fast 200 Höhenmeter den Berg hinauf. Immerhin stimmt die Vorhersage einer traumhaften Passage auf einem wilden Bergrücken. Die Berge links und rechts sind monumental – sodass sich der Streckenmeister nicht von der Argumentationslinie abbringen lässt,
- dass es unmöglich weiter nach oben und ab „da vorne“ nur noch abwärts nach Sliwen gehen kann
- dass der Fehler bei Komoot liegen muss,
- einheimische Sportler jedoch grundsätzlich vertrauenswürdig sind.
Der große Lohn wird am Ende ausgezahlt. Auf 1.100m Höhe befindet sich ein Hubschrauberlandeplatz der offensichtlich auch als Ankunftsort von Motorbike und Fahrrad-Wettbewerben genutzt wird. Und das nicht ohne Grund. Von da geht es 15km atemberaubend bergab nach Sliven. Mehrfach lasse ich mich bei der rasanten Abfahrt bei über 50km/h zu Glücksrufen hinreißen. Die Aussicht ist toll – bis Sliven in den Blick gerät. Eine einigermaßen hässliche postsozialistische Stadt ohne jeglichen Charme.
Die Übernachtung ist luxuriös und eingezäunt. Wir sind mehr als happy diese Etappe irgendwie ins Ziel gebracht zu haben. Morgen erwarten uns ebenfalls große Herausforderungen. In einer kleinen bulgarischen Gaststätte feiern wir das Erreichte. Kleine Probleme gibt es beim Bestellen und der Nachfrage nach Speisen und Getränken. Daß ein Kopfschütteln hier eine Zustimmung und ein Nicken eine Ablehnung bedeutet, machen das Leben sowohl für die etwas vergessliche Kellnerin als auch für uns zum Glücksspiel. Letzten Endes werden alle satt und wir haben wieder etwas zu erzählen.
