2023-Budapest-Belgrad-Tag 9&10 nach Belgrad

vonZrenjanin
nachBelgrad
↔ 86km ⬆ 190Hm ⬇ 200Hm
🛌🏻
San Art Floating Hostel & Apartments,
Ušće bb Novi Beograd
11000 Belgrad
Serbien

Schon war der letzte Fahrradtag angebrochen und er sollte Abenteuer bereithalten. Die Ausfahrt aus Zrenjanin war nicht berichtenswert. Die Marshall Tito Straße fiel uns auf – doch bald sollte der Verkehr unsere gesamte Aufmerksamkeit erfordern. Die Bundesstraße 13 hatte keinen Radweg und wir sollten ihr fast 50km folgen. Schon nach knapp 12km versuchten wir eine Alternative zu finden – es war einfach lebensgefährlich. Besonders überholende Fahrzeuge aus dem Gegenverkehr kannten keine Gnade. Ein LKW hupte von hinten und fuhr dann mit wenigen Zentimetern Raum an uns vorbei. Wir spürten den metallisch-warmen Luftzug des Ungetüms. Eine letzte Warnung? Es musste eine andere Lösung her.

Zunächst hielten wir in Regec – einem kleinen Ort unweit der großen Straße. Wir schauten uns im örtlichen Laden um und fragten einige kleine Restaurants nach einem Frühstück. Plötzlich war meine Sonnenbrille weg. Ich suchte alles ab und konnte mir den Verlust nicht erklären. Es hielt ein Auto und ein hilfsbereiter Serbe erklärte mir, wo er das gute Stück gesehen und gut sichtbar deponiert hatte – die Brille war mir im Lebensmittelladen vom Helm gerutscht und ich konnte sie leicht wiederfinden – Glück gehabt.

Es fing an zu regnen. Wir warteten das schlechte Wetter in einem Café ab und nutzten die Pause zum Umplanen. Wir entdeckten einen Deichweg, der knapp 30 km durchs Niemandsland führte und uns am Ende direkt an der Donaubrücke vor Belgrad wieder ausspucken sollte.

Der Weg war Natur pur. Kniehohes Gras verhinderte schnelles Vorwärtskommen. Wir trafen keinen Menschen. In großen Abständen sahen wir verlassene Höfe und fotografierten was spannend war. Wir kämpften uns fast zwei Stunden durch das hohe Gras auf dem Dammweg. Als der Weg fast zu Ende war, hielten wir an einem weiteren Haus, wo ein Serbe Rasen mähte.

Hendrik wechselte plötzlich ungläubig die Farbe. Sein iPhone (Wert 1.200€) war verschwunden. Wir gingen alle Möglichkeiten durch und kamen zu dem Ergebnis, dass das Gerät innerhalb der letzten 10km abhanden gekommen sein muss – aber wo genau? Es war sehr heiß und der Tag bereits fortgeschritten – zurückfahren hätte über zwei Stunden Aufwand bedeutet. Ich ließ Hendrik für einen Augenblick zum Gedanken sammeln zurück und schaute mich auf dem unweit von uns befindlichen Bauernhof um. Es war tatsächlich jemand da. Ein junger Serbe spielte mit seinem dreijährigen Sohn und seinem Handy.

Über Google-Translator beschrieb ich ihm die Situation – er war sofort hilfsbereit und holte seinen 22 Jahre alten Lada-Niva 4×4 ohne Nummernschilder und begab sich mit uns auf iPhone-Jagd.

Er fuhr langsam den Weg entlang – der Dreijährige saß mit am Steuer des Brumbrum, schlief jedoch schnell ein. Das Auto ächzte, stank und hatte das eine oder andere kleine Problemchen mit den Bodenwellen. Nach genau 10km kamen wir an einem unserer Fotoobjekte vorbei und siehe da – das Gerät lag mitten auf dem Weg. Unweit spazierte ein wildes Pferd den Weg entlang, ohne es gefunden zu haben – nochmal Glück gehabt.

Der Serbe fuhr uns zurück – Hendrik wollte einen ordentlichen Finderlohn zahlen – er lehnte ab – also steckte er dem kleinen Buben das Geld zu. Dann begaben wir uns auf die finalen 17km.

Kurz vor Belgrad haben wir ein besonderes Jubiläum.

Mallorca – Dresden – Cuxhaven – Berlin – Warschau – Königsberg – Memel – Riga – Tallinn – Prag – Heidelberg – Paris – Budapest – Wien – Bratislava – Belgrad

10.000 Kilometer

Es ist ein tolles Gefühl in solche eine bekannte europäische Hauptstadt einzufahren. Verkehr und Straßenführung erfordern volle Konzentration. Wir trafen eine größere Radgruppe am Stadtrand. Franzosen – alle über 60 Jahre alt – und unterwegs auf einer Tour von Prag über Wien, Bratislava, Budapest, Ljubiliana, Belgrad nach Sofia. Sehr beachtlich! Vier Wochen sind für die Gesamttour veranschlagt.

Wir übernachten in einem Hostel, welches als Hausboot gebaut ist und eine schwimmende Terrasse hat. Wir genießen den Sonnenuntergang bei Bier und angenehm milden Temperaturen.

Am nächsten Tag besichtigen wir Belgrad. Es gibt viel zu sehen. Der Dom des Heiligen Sava ist eine beeindruckende orthodoxe Kirche, die innen ganz hell wirkt. Die Kirche des Heiligen Markus ist ebenfalls beeindruckend. Zar Dusan liegt hier in einer Gruft. Wir kommen mit der 2.000 Jahre alten Geschichte Griechisch Weissenburgs / Beograds in Berührung. Jede Großmacht war hier irgendwann aktiv.

Die Stadt wirkt an diesem Mittwoch wie kurz vor dem Verkehrsinfarkt. Sie ist nicht wirklich fußgängerfreundlich – auch Radfahrer scheinen hier Freiwild zu sein. Die Altstadt besticht durch eine Vielzahl von gut besuchten Cafés – kulinarisch ist Serbien auf jeden Fall eine Entdeckung. Alles ist sehr fleischlastig und preiswert. Torten und Blätterteigprodukte gibt es an allen Ecken. Schnaps und Biere brauchen sich nicht zu verstecken.

Toll ist die Festung mit ihrem militärhistorischen Museum. Eine Vielzahl original Militärtechnik des vergangenen Jahrhunderts kann bestaunt werde. Vor dem Hintergrund des aktuellen russischen Krieges gegen die Ukraine wirkt das alles sehr bedrückend.

Wir besichtigen eine Ausstellung mittelalterlicher Folterinstrumente in den Katakomben der Festung. Ein kalter Schauer läuft den Rücken beim Betrachten von Eiserner Jungfrau, Geräten zum Rädern, Schädelzertrümmern und zum Pfählen hinunter. Wie erfinderisch das Tier Mensch doch beim Thema Schmerz ist. Danach haben wir erst einmal keinen Appetit mehr.

Der Russenshop ist interessant. Putin, Lenin, Stalin sind in allen Varianten erhältlich. Russische Flaggen, Matrioschkas, Fellmützen, Fabergé-Eier und vieles andere ist erhältlich.

Wir essen in der Kafana SFRJ, die dem vergangenen Jugoslawien und seinem Führer Marshall Tito mit vielen Fotos und original Gegenständen aus jener Zeit huldigt.

Der Blick über die Save (der größte Fluss Sloweniens und Kroatiens, 1.000km lang) und Donau ist traumhaft. Aber es fängt bald an, stark zu regnen – also trinken wir ein Bier mehr. Schließlich müssen wir in warmem Sommerregen zurücklaufen und verbringen einen letzten gemeinsamen Abend in unserem Hostel bei schöner Musik, Bier und einer zutraulichen Katze.

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